
Vor 100 Jahre begann die Geschichte des legendären Flugschiffs Dornier Do X
Das Flugboot Do X ist ein Synonym für das Wirken von Claude Dornier.
Im Jahr 1925, vor hundert Jahren, begann die Geschichte des legendären Flugschiffs Do X.
Dornier war überzeugt, dass Wasserflugzeuge im internationalen Passagierverkehr eine große Zukunft haben würden, denn alle großen Städte lagen am Wasser oder an Flüssen. Seine Vision von riesigen Passagierflugbooten oder Flugschiffen reifte bereits 1919. Ein erster Entwurf vom Januar 1919 war ein Hochdecker-Flugboot mit 8 Motoren zu je 270 PS. Im März desselben Jahres folgte ein überarbeiteter Entwurf mit gleicher Motorisierung, aber veränderter Tragwerksgeometrie.
Am 20. Januar 1920 trat der Friedensvertrag von Versailles in Kraft, der für Deutschland u.a. das Verbot von Aktivitäten auf dem Gebiet der Luftfahrt zur Folge hatte. Dornier hatte mit der Erprobung des Flugbootes Gs I (Erstflug 31. Juli 1919) begonnen, das als Vorläufer der Wal-Flugzeuge anzusehen ist und Wal-Flugzeuge sind wiederum als Vorläufer des Do X Flugschiffs anzusehen. Aufgrund des Versailler Vertrages sollte das GS I Flugboots 1920 an die Siegermächte ausgeliefert werden, was Dornier durch eine absichtlich herbeigeführte Versenkung vereitelte.
Dornier durfte vorerst keine Flugzeuge mehr bauen, aber der Versailler Vertrag konnte die Konstruktion weiterer Varianten nicht verhindern. So entstanden in den Konstruktionsabteilungen weitere Konstruktionspläne für Flugboote, unter anderem für die Libelle und für den Wal.
Um die Libelle, ein kleines Sportflugboot, bauen zu können, mietete Dornier im schweizerischen Rohrschach eine Halle mit direkter Rampe in den Bodensee. Die Bauteile für das Flugboot „Libelle“ wurden in Deutschland gefertigt und mit einer Segeljolle heimlich von Deutschland in die Schweiz transportiert. Am 16. August 1921 drehte die „Libelle“ ihre ersten Runden in der Staader Bucht auf der Schweizer Seite des Bodensees.
Der Durchbruch für die Dornier Wasserflugzeuge kam 1922, als Dornier mit der spanischen Marine Gespräche über Wasserflugzeuge führte und Konstruktionspläne des Wals vorlegte. Die spanischen Militärs waren von dem Konzept so überzeugt, dass sie vom Reißbrett weg sechs Wal-Flugboote bestellten.
Dieser Auftrag konnte jedoch nicht mehr über den Hangar in Rorschach abgewickelt werden, und der Flugzeugbau in Deutschland war immer noch stark eingeschränkt. Eine Lösung fand Claude Dornier in Italien. Dort gründete er in Marina di Pisa eine Flugzeugwerft für den Bau der Wal-Flugzeuge, die Costruzioni Meccaniche Aeronautiche SA. Der dort gebaute Dornier Wal hatte seinen erfolgreichen Erstflug am 6. November 1922. Neben den sechs Wal-Flugzeugen für Spanien wurden weitere Wal-Flugzeuge nach Holland, Argentinien, Chile, Japan, Russland und Jugoslawien geliefert.
Parallel zu den Erfolgen mit dem Wal und dem Bau weiterer Land- und Wasserflugzeuge arbeitete Dornier weiter an seiner Vision vom Großwasserflugzeug. Im September 1924 legte er das Konzept eines überdimensionierten Wals (interne Projektnummer 1190) mit 12 Motoren und einer Spannweite von bereits 48 m bei einer Länge von 39 m vor. Dieses Wasserflugzeug hatte aber noch nichts mit der späteren Do X gemein. Die zwölf Triebwerke waren in Tandembauweise vor und hinter dem Rumpf angeordnet.
Dorniers Vision vom großen Wasserflugzeug sollte jedoch bald Wirklichkeit werden. Im Jahr 1925 hatte Dornier ein Treffen mit dem Präsidenten des Verbandes der deutschen Luftfahrtindustrie, Admiral a.D. Lahs. Admiral Lahs war ein alter Marineoffizier und hatte ein Faible für Wasserflugzeuge. Lahs wusste von Dorniers konzeptionellen Arbeiten an großen Wasserflugzeugen und ließ sich von Dornier über seine aktuellen Pläne für ein Riesenflugboot aus Metall berichten. Im Laufe des Gesprächs fragte Lahs plötzlich: „Dornier, was würden Sie sagen, wenn Ihnen ein Unbekannter einen Haufen Geld geben würde mit dem Auftrag, ein sehr großes Boot zu bauen. Etwas, das überhaupt noch nicht da war?“ *1) Nachdem Dornier die Frage verdaut hatte, sagte er nur: „Ich würde mich freuen“. 1*)
Dornier wurde mitgeteilt, dass erhebliche Mittel zur Verfügung stünden, um die Arbeiten am Großwasserflugzeugen fortzusetzen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs konkretisierte Dornier, nachdem sich seine erste Verwirrung über diese Entwicklung gelegt hatte, die Rahmenbedingungen für das angestrebte Großwasserflugzeug und die entsprechenden Werkstätten und Integrationshallen, was nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit kosten würde.
Abschließend sagte Dornier: „Die Konstruktion und der Bau eines großen Seeflugzeuges ist eine der schönsten, wenn nicht die schönste Aufgabe, die ich mir wünschen könnte“. 1*) Nach einer Weile gesellte sich ein weiterer Marineoffizier, ein guter Bekannter von Admiral Lahs, zu der Runde und beteiligte sich sofort an dem Gespräch. „Nun, Herr Dornier“, sagte er, „wie viele Millionen brauchen Sie, um uns ein großes, schönes Schiff zu bauen? 1*). Diese Frage konnte Dornier natürlich nicht aus dem Stegreif beantworten, aber es würde viel Geld und Zeit kosten, um eine solche Aufgabe zu bewältigen.
Zum Abschluss des Gesprächs wurde mit einem Schnaps angestoßen: „Auf das Gedeihen des Flugschiffes Do-X.“ 1*) Lahs informierte Dornier noch über die Geldquelle: „Sie werden einen Vertrag mit dem Verkehrsministerium abschließen, und von dort wird das Geld zu Ihnen fließen. Fragen Sie nicht weiter.“ 1*)
Dorniers Vision nimmt Gestalt an und kann mit den in Aussicht gestellten Mitteln Wirklichkeit werden. Die Würfel für den Bau der Do X sind gefallen.
Dorniers Grundgedanke beim Bau des Flugschiffes Do-X war, den Vorteil des Überseeverkehrs auszunützen, um auf diesem Wege zur Eigenwirtschaftlichkeit zu gelangen, das heißt, die entstehenden Kosten auf eine genügende Anzahl von Personen oder Fracht umzulegen. Aus dieser Überlegung sowie aus der Forderung nach Erhöhung der Sicherheit ergaben sich die Dimensionen des Flugschiffes Do-X.1*)
Das Bauverbot war 1925 immer noch in Kraft. Man musste also das Do X Flugschiff im Ausland bauen, aber die Werft in Marina di Pisa war zu klein für den Bau von Großwasserflugzeugen.
Zurück am See machte sich Dornier Gedanken über das Projekt als solches. Bei einem Gewicht von fünfzig Tonnen und einer ähnlichen Leistung wie die erprobten Wale musste eine Leistung von etwa siebentausend PS eingebaut werden. Das erforderte zwölf Motoren mit je sechshundert PS. Vor seinem geistigen Auge erschien ein ins Gigantische vergrößerter Wal, auf dessen Flügel zwölf Motoren in sechs Tandemgondeln montiert waren. Im Juni 1926 entstand der Projektentwurf P 51223, in den die Erfahrungen mit dem Wal weitgehend eingeflossen waren. Dieser Entwurf hatte bereits große Ähnlichkeit mit der späteren Do X.
Im Dezember 1926 wurde mit der Zeichnung P 51335 nach einigen geringfügigen Änderungen die endgültige Konstruktionsfreigabe und Baubewilligung für die Do X erteilt.
Die Konstruktionsarbeiten wurden im Werk Manzell durchgeführt. An einen Bau in Deutschland war aber wegen der noch bestehenden Beschränkungen durch den Versailler Vertrag nicht zu denken. Und Marina di Pisa war, wie gesagt, zu klein.
Auf der Suche nach Möglichkeiten, den Flugzeugbau dennoch fortzusetzen, fand die Flugzeugwerft Dornier in Friedrichshafen ein neues Werftgelände nur wenige Kilometer über dem See in der Schweiz. Claude Dornier fand in Altenrhein ein geeignetes Gelände mit Seezugang für den Bau einer neuen Produktionsstätte.
Der Kanton St. Gallen sowie die Gemeinden Rorschach, Thal und Rheineck unterstützten Dornier beim Bau der Werkshallen und des Flugplatzes. Dies mit der Absicht, in der bis dahin strukturschwachen Region neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Rechnung ging auf: 1926 wurde die Dornier Flugzeugwerke (Do-Flug AG) in Altenrhein gegründet, mit dem Bau der Werfthallen begonnen und 1927 die Dornier-Werke eröffnet. Gleichzeitig wurde eine 600 Meter lange Graspiste angelegt, aus der sich der Flugplatz Rorschach-Altenrhein, der heutige Flugplatz St. Gallen-Altenrhein, entwickelte.
Von 1928 bis 1931 bauten die Dornier-Werke in Altenrhein unter anderem die drei legendären und imposanten Wasserflugzeuge Do-X, eines für den deutschen Kunden und zwei für die italienische Marine. Jedes dieser Flugboote mit einer Länge von 40 Metern und einer Spannweite von 48 Metern war mit 12 Motoren ausgestattet, die das 48 Tonnen schwere Flugzeug aus dem Wasser in die Luft heben konnten.
Die Deutsche Do X1 absolvierte ihren Erstflug am 12. Juli 1929 und erlangte Berühmtheit durch ihren Probe- und Demonstrationsflug mit 169 Passagieren an Bord und ihrem Weltflug von Deutschland nach Südamerika, Nordamerika und zurück nach Deutschland.
Die drei legendären Maschinen sind allerdings für immer verloren. Von den drei gebauten Flugzeugen ist bis auf ein paar Bruchstücke nichts mehr übrig. Auch die Do X Konstruktionszeichnungen sind nicht mehr vorhanden.
Doch die Do X, Synonym für das Wirken von Claude Dornier auf dem Gebiet der Wasserflugzeuge, wird durch der Freundes- und Förderkreis Do X e.V. wieder aufgebaut. Bis 2026/27 sollen die kompletten Baupläne wieder vorhanden sein und mit dem Nachbau der Do X wurde bereits begonnen.
*1) Gemäß oder sinngemäß nach Claude Dornier Buch „Aus meiner Ingenieurlaufbahn“